Wolfsalarm in Niedersachsen??
Erst werden im Raum Diepholz und Vechta sechzig Schafe getötet und es dauert 3 Monate, bis das Ministerium den von der neuen Richtlinie geforderten Gennachweis für einen Wolf als Verursacher vorliegen hat und endlich Entschädigung leisten und Präventionsmaßnahmen unterstützen kann. Die Tierhalter wurden über den gesamten Zeitraum allein gelassen mit ihren berechtigten Sorgen. Akzeptanzförderung sieht sicher ganz anders aus!
Dann wird ein Wolf in der Nähe eines Waldkindergartens gesehen, abends, als die Kinder längst zu Hause sind. Die abendliche und bisher einmalige Beobachtung löst Ängste bei den Eltern der Kinder aus, obwohl sie nach allen Erfahrungen in der Lausitz und gemäß der Kriterien für die Beurteilung "auffälligen Wolfverhaltens" in Wolfsmanagementplänen deutscher Bundesländer und eine entsprechenden Leitlinie des Bundesamtes für Naturschutz nicht als problematisch angesehen werden muss. Nachdem sich tagelang keine offizielle Stelle dazu geäußert hat, kam, natürlich zuerst von einer als wolfsfeindlich bekannten Jagdzeitung und in der Folge auch von lokalen Blättern, eine Wertung, die eine akute Gefährdung der Kinder sehen wollte. Sogar der bekennende Wolfsfreund Eckhard Fuhr schrieb in seiner Kolumne in der „Welt“: „Ein Raubtier, das um Kinder schleicht, wie in Niedersachsen geschehen muss erschossen werden“. Inzwischen wurde der Waldkindergarten mit einem Lappenzaun „geschützt“ – sinnvoll oder nicht.
So gelingt es der "normalen" niedersächsischen Wolfsöffentlichkeitsarbeit nicht, durch die Übermittlung von Fakten und Berichten von Erfahrungen z.B. in der Lausitz, den Bürgern die Angst vor dem Wolf zu nehmen. Tatsache ist, dass - wenn man Wölfe unter Schutz stellt und die Besiedlung ihrer Lebensräume anstrebt - es dort auch immer wieder zu Wolfsbeobachtungen kommen wird. Die Wölfe werden an denselben Orten und in denselben Lebensräumen zu sehen sein, wo ihre Hauptbeutetiere Rehe, Hirsche und Wildschweine gelegentlich zu sehen sind, auch wenn dort ein Waldkindergarten eingerichtet wurde. Versucht man, die Wölfe hier auszugrenzen, kann es nicht zu einer dauerhaften Besiedlung unserer ländlichen Kulturlandschaften durch den Wolf kommen. Es ist also die Frage, wie man latenten irrationalen Ängsten in der Bevölkerung begegnet - indem man sie zum Schein bestätigt und durch Maßnahmen wie der symbolischen Ausgrenzungen des Wolfes aus seinem Lebensraum durch einen Lappenzaun reagiert oder durch sachgerechte Information und Erfahrungsaustausch z.B. in diesem Fall mit Kindergärten in der Lausitz.
Fast noch gravierender ist, dass die Wölfe auf dem Truppenübungsplatz Munster mehrmals Annäherungsversuche an Menschen und/oder deren Hunde unternehmen und wieder keine Reaktion des Wolfsmanagements erfolgte. Offensichtlich die Welpen des Jahres 2014 haben sich einer Frau mit 2 Labrador-Hunden bis auf 15 Meter genähert und sich nicht auf ihr Schreien hin entfernt und sie haben zwei Wochen vorher eine Joggerin auf eine Hochstand flüchten lassen und sie dort belagert. Beide Frauen berichten, dass die Wölfe keine Zeichen von Aggression gezeigt haben.
Wieder war es die Jagdzeitung und nicht das Wolfsmanagement, von der die Öffentlichkeit informiert wurde. Dieses Verhalten der Munsteraner Welpen bewegt manchen zu der Aussage, die Wölfe würden immer weniger scheu. Dabei handelt es sich um individuelle Tiere und keinesfalls um ein Phänomen, das auch bei Welpen anderer niedersächsischer oder gar deutscher Rudel zu beobachten ist. In Deutschland ist kein vergleichbarer Fall der Annäherung von (offensichtlichen) Jungwölfen an sie anschreiende Spaziergänger bekannt. Bekannt ist aber, dass Jungwölfe unbedarfter und in diesem Sinne weniger scheu als Altwölfe sind, und dass sie den Menschen nicht so geschickt meiden wie ihre Eltern. Im Laufe seiner individuellen Entwicklung wird dann in der Regel der unbedarfte Jungwolf zu einem "in Verantwortung für seine Welpen stehenden" Altwolf, der Konflikte mit Menschen so gut er eben kann vermeidet.
Wenig hilfreich sind in all diesen Fällen die „Wolfsexperten“, die das Mantra vom scheuen Wolf beten und die, in so einer Situation unnütze Tatsache, dass der Mensch nicht zum Beutespektrum des Wolfes gehört immerfort wiederholen.
Die Jungwölfe des Munsteraner Rudels, seit dem ersten Wurf im Jahr 2012, scheinen Menschen – im Vergleich zu den Jungwölfen in der Lausitz – besonders häufig und besonders nah begegnet zu sein. Die Ursachen hierfür müssen dringend und intensiv von erfahrenen Kennern des Wolfsverhaltens unter mitteleuropäischen Lebensbedingungen untersucht werden. Eine mögliche Ursache kann in besonders häufigen Kontakten zu den Soldaten liegen. In Munster befinden sich die Wurfbaue und Rendezvousplätze in unmittelbarer Nähe zu häufig frequentierten Schießbahnen und Warteplätzen übender Panzer- und sonstiger Einheiten. Es gibt Berichte, wonach Soldaten Jungwölfe, die neugierig um die Panzer herumstreiften, in nur wenigen Metern Entfernung beobachtet haben. Ob dieses Aufwachsen in unmittelbarer Nähe von stehenden Fahrzeugverbänden für das distanzlose Verhalten der Munsteraner Jungwölfe alleine ursächlich ist, oder ob Soldaten die Wölfe entgegen bestehender Anweisungen gefüttert haben, muss jetzt dringend untersucht werden. Festzustellen bleibt aber auch, dass die Munsteraner Jungwölfe vergangener Jahrgänge ihr unbedarftes Verhalten gegenüber Menschen im Laufe ihrer individuellen Entwicklungen offensichtlich abgelegt haben und zu „normal vorsichtigen und unauffälligen" Altwölfen geworden sind.
Die aktuellen Vorfälle von Mölln und Wildeshausen
Vor kurzem hat sich ein junger Wolf auf einem ausgedehnten Acker bei Mölln, Schleswig-Holstein nicht von einer kleinen und dort verstreuten Schafherde vertreiben lassen. Link: Wolfsangriff auf Schafherde Mölln Dann wurde ein ebenfalls kaum scheuer Wolf, der ebenfalls sehr jung zu sein scheint immer wieder bei Tag und auf nächste Nähe von Spaziergängern und Jägern beobachtet, einmal wurde er im Stadtgebiet von Wildeshausen von Passanten gefilmt.Link: Wolf in Wildeshausen Fotos aus Mölln und von den Vorfällen in Niedersachsen zeigen übereinstimmend einen kontrastarm hellgrauen Jungwolf, ohne klar abgegrenzten hellen Sattelfleck und dunkle Sattellinie aber mit undeutlichen dunkleren Bereichen entlang des Rückens. Auffällig ist, dass die bei vielen Wölfen stärker ausgeprägte ockrig- bis rötlichbraun-Färbung der Beine in beiden Fällen kaum ausgeprägt ist, und die Beine auf vielen Fotos einfach nur hellgrau erscheinen. Bei beiden Tieren ist eine Dunkel-bis-Schwarz-Färbung an den Vorderseiten der Vorderbeine vorhanden. Es ist kein Merkmal erkennbar, das beide abgebildeten Tiere klar unterscheidet. Da es seit kurz vor dem Auftauchen des Wolfes bei Nienburg offenkundig keine Beobachtung eines "unscheuen" Wolfs mehr aus Schleswig-Holstein gibt, liegt der Verdacht nahe, dass es sich um dasselbe Tier handeln könnte.
Die Distanzlosigkeit dieser Wölfe zu Menschen wird von Fachleuten wie dem Büro „Lupus“ eindeutig als untypisch bewertet; eine unmittelbare Gefahr geht nach ihrer Auffassung von dem oder den 10 Monate alten Welpen für Menschen aber (noch?) nicht aus. Der Wolf sollte wie in den Managementplänen alle Bundesländer für solche Fälle schon immer vorgesehen betäubt, umfassend untersucht und ggf. mit einem Sendehalsband versehen wieder freigelassen werden, um dann umso besser bei der Annäherung an Menschen oder menschliche Siedlungen mit Gummigeschossen vergrämt werden zu können. Wenn die Untersuchung nicht kurierbare gesundheitliche Beeinträchtigungen ergibt, sollte der Wolf eingeschläfert werden. Wenn er gesund ist, sollte er mit einem Sender versehen und in seinem Ursprungsterritorium freigelassen werden. Sollte er trotz des "Schocks" der Besenderung und des Aufenthalts in einem Auffanggehege immer noch seine auffälligen Annäherungen an Menschen zeigen, könnte er dank des Senders gezielt vergrämt werden.
Fazit: "Die Wölfe" als Gesamtheit werden nicht unscheuer oder problematischer - wie dies immer wieder in den Medien so dargestellt wird - sondern Einzelfälle treten auf, mit denen jetzt angemessen umgegangen werden muss.
Obwohl in der „Richtlinie Wolf,“ dem Managementplan für Niedersachsen genau wie in allen anderen Managementplänen der Bundesländer genau festgelegt ist, wie im Fall auffälliger Wölfe vorzugehen ist, hat sich lange niemand vom Wolfsmanagement Niedersachsens gefunden, der dieses Procedere in der Öffentlichkeit bekannt gemacht und vertreten hätte. Erst ein Wolf, der sich völlig arglos mitten in der Kleinstadt Wildeshausen von Passanten filmen lässt und dem entsprechend für einen riesen Wirbel sorgt ist Anlass, dass sich das Umweltministerium endlich entschließt, in einer Pressekonferenz auf die Sorgen der Menschen zu reagieren und die im Managementplan vorgesehen Maßnahmen anzukündigen.
Nachdem solche Maßnahmen aber, wie aus anderen Ländern bekannt ist, meist sehr schwierig erfolgreich durchzuführen sind wäre die Einrichtung einer Einsatzgruppe, die jeden solchen Vorfall untersucht, bewertet, Maßnahmen empfiehlt und nach Abstimmung mit dem MU umsetzt sinnvoll. Es sollte sich dabei um echte Experten handeln, die nicht nur in der Lage sind, eine Beurteilung zu erstellen, sondern auch „handwerklich“ Vergrämungsmaßnahmen, Immobilisation, Telemetrie oder ggf. auch notfalls den Abschuss einzelner Tiere durchführen können. Die Aktion vor Ort ist wichtig und sollte nach einheitlichen Maßstäben durchgeführt werden. Die Bewertungen und Ergebnisse müssen unmittelbar nachvollziehbar für die Öffentlichkeit kommuniziert werden.
Wenn nur weiter so dilettantisch versucht wird, das Bild vom immer nur harmlosen Wolf zu vermitteln, kann die einschlägige Presse immer wieder triumphieren und leider zu Recht auf eine Einschätzung des Wolfsverhaltens hinweisen, das oft nicht so ausfällt, wie erwartet. Damit geht ein gravierender Verlust an Glaubwürdigkeit aller Wolfsbefürworter einher. Es ist dringend notwendig, unsere Positionen zum Wolf, die Empfehlungen zum Umgang, zur Bewertung von Begegnungen und die Maßnahmen zur „Konditionierung“ anzupassen. Von den Verantwortlichen für das Wolfsmanagement muss gefordert werden, dass sie in Zukunft statt Aktionismus wieder sinnvolles Management liefern.
Das niedersächsische Wolfsmanagement offenbart große Defizite und angesichts der Serie von 60 Schafstötungen bzw. -verletzungen durch einen einzelnen sich in einem Gebiet neu etablierenden Wolf fragt man sich, ob das Wolfsmanagement in Niedersachsen und die Landesjägerschaft als dafür verantwortliche Organisation wirklich daran interessiert ist, die Akzeptanz für die Wölfe zu erhalten.
Grundsätzlich muss man in Frage stellen, ob das niedersächsische Modell überhaupt Sinn macht, in einem Bundesland mit einer so rasanten Entwicklung der Wolfspopulation das Wolfsmonitoring und Wolfsmanagement in die Hände der Landesjägerschaft zu legen und von Mitarbeitern aufbauen und koordinieren zu lassen, die noch wenig Erfahrungen damit haben. Letztendlich würde der Aufbau eines effektiven Wolfsmanagements in allen Bundesländern deutlich effektiver und evtl. sogar billiger sein, wenn sie – Föderalismushin oder her - vor allem für derartige Problemfälle sich zusammentun und ein bundesweites Kompetenzzentrum (z.B. mit dem Know-How eines Wildbiologischen Büros „Lupus“) einrichten würden.